Evangelist mit Realitätsverlust?

Der Computerhersteller Dell veranstaltete gestern von 9 bis 16 Uhr in Frankfurt einen sogenannten CAP-Day. CAP steht für Customer Advisory Panel. Zu deutsch: Die Dell-Leute wollten einfach mal in Ruhe mit Kunden reden, um  Kritik und Verbesserungsvorschläge zu hören. So wie früher Tante Emma in ihrem Laden – die wusste halt, was die Leute wollten.

Was macht daraus Dr. Holger Schmidt, der Wirtschaftsredakteur der FAZ, der sich „Netzökonom“ nennt und jeden www-Furz zu bejubeln pflegt? Diesen Tweet:

wenn der „Netzökonom“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erzählt…

Na denn: Ein Hoch auf Tante Emma, die visionäre Vorkämpferin des OSMM (Offline Social Media Marketing).

Nachtrag, 22. Januar:

anderer Twitter-Account, selbes Thema…

 Ist man so eigentlich noch Journalist oder schon Mitspieler?

Nachtrag, 26. Januar: Wenn es zutrifft, dass Holger Schmidt bei der Dell-Veranstaltung moderiert hat, wie jetzt zu hören ist,  bekommt die Sache  in meinen Augen tatsächlich ein Geschmäckle.  Es bedeutet ja: Mit seiner FAZ-Funktionsbezeichnung „Netzökonom“ versendet er Tweets, die Dell in werblicher Hinsicht irgendwie zugute kommen. Das mag in diesem Fall kein Drama sein, aber es geht ums Prinzip: Eine Vermischung der journalistischen Arbeit mit der privaten Moderatorentätigkeit ist nicht okay.

3 Kommentare zu „Evangelist mit Realitätsverlust?

  1. Wie in Deinem WTF?-Bereich gewünscht gebe ich mal meinen Senf dazu.

    Für einen Nichtteilnehmer des CAP weißt Du „wirklich“ gut Bescheid.
    Dr. Holger Schmidt wurde als neutraler Moderator eingeladen. So hat er auch agiert.
    Sämtliche Gespräche und Diskussionen unter allen Teilnehmern waren konstruktiv und von gegenseitigem, ernsthaften Interesse und Respekt geprägt.

    Der Begriff Offline-Sozial-Media begründet sich vielmehr darin, dass sich alle Teilnehmer untereinander überhaupt nicht oder zumindest nicht persönlich kannten, wie auf entsprechenden Plattformen auch.
    Für jemanden der nicht dabei war erschließt sich nicht jeder Eintrag auf Twitter etc. Ich war nie ein Freund der
    140-Zeichen-Nachrichtenverbreitung. Unter den Gästen waren durchaus kritische Teilnehmer, die sich sogar erdreistet haben Apfel-Hardware mitzuführen. Gesteinigt wurde niemand… nur um weiteren Gerüchten vorzubeugen.

    Das eine solche Veranstaltung immer einen gewissen Marketingeffekt hat, bestreitet niemand. Jedoch war dies weder vor, während noch nach dem Dell-CAP-Day relevant oder wichtig, bestenfalls eine peripherer Effekt. Vielmehr ist wichtig, was am Ende dabei herauskommt. Entsprechende positive Rückmeldungen liegen bereits vor.

    Wer wissen möchte, was beim Dell-CAP-Day 2011 tatsächlich stattgefunden hat, kann sich hier:
    http://www.xps-forum.de/index.php?page=Thread&threadID=20323&pageNo=1
    gerne informieren.

    Stefan Ufer – XPS-Forum.de

  2. @Stefan Ufer

    Danke für den Kommentar. Ich glaube gern, dass der Dell-Cap-Day eine gute Veranstaltung war, von der auch Dell-Kunden profitieren.

    Die nebenberufliche Moderatorentätigkeit eines Journalisten ist, wie ich finde, gar nicht zu beanstanden – vorausgesetzt, es gelingt dem Journalisten, seine beiden Rollen – hier Journalist, dort Dienstleister für ein Unternehmen – sauber voneinander zu trennen.

    Dies gelingt Holger Schmidt nach meinem Empfinden nicht mehr uneingeschränkt, wenn er als „Netzökonom“, als der er dem Nutzer der FAZ bekannt ist, über den Microblogging-Kanal Twitter Social Media Marketing zugunsten des Unternehmens betreibt, für das er als Dienstleister tätig geworden ist.

    Ursprünglich hatte mein kleiner Beitrag aber eine ganz andere Intention: „Social Media“ halte ich für einen unglücklichen Begriff, weil es ein weißer Schimmel ist, ein Pleonasmus. Alle Medien, auch Massenmedien, haben soziale Funktionen. Vielleicht ist deshalb „Social Media“ ein kurzlebiger Modebegriff (die Sache, die er beschreibt, ist selbstverständlich nicht bloß Mode).

    Umso merkwürdiger fand ich es, dass Holger Schmidt für den Jahrtausende alten Brauch des Kaufmanns, mit seinem Kunden über dessen Bedürfnisse von Angesicht zu Angesicht zu reden, die Formulierung fand, Social Media funktioniere auch offline.

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