Robert Misik, ein linksgerichteter österreichischer Journalist, beschimpft Thilo Sarrazin als „Großmeister der Implausibilitätsmathematik und Intelligenzgen-Eugenik“. Dumm nur, dass Misik im Jahre 2006 selbst einen Artikel zur Frage „Haben die aschkenasischen Juden ein Intelligenz-Gen?“ in der taz veröffentlicht hatte. Darin hieß es:
„Es ist eine verstörende Eigenart der neuesten Naturwissenschaften: Ihre Erkenntnisse sind eine knifflige Herausforderung an die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Leider eine, die man einerseits nicht mehr so leicht abtun kann (als „biologischen Obskurantismus“ etwa), deren reale Bedeutung sich andererseits auch nicht ganz einfach beurteilen lässt, handelt es sich doch meist um Forschungsergebnisse auf hoch spezialisierten und recht hermetischen wissenschaftlichen Feldern.“
Dann referierte Misik ausführlich neuere genetische Forschungen aus den USA:
„Genetiker von der Universität Utah wollen nun nachgewiesen haben, dass die aschkenasischen (also die europäischstämmigen) Juden über ein eigenes ´Intelligenz-Gen´ verfügen. Ihre These ist gut vorgetragen: Ein großer Teil der aschkenasischen Juden leidet an einem Gen-Defekt. Das ist zunächst nicht sensationell, sondern kommt häufig vor in Gemeinschaften, die jahrhundertelang eine geschlossene Gemeinschaft bilden (heute würde man ´Parallelgesellschaft´ sagen) und fast ausschließlich untereinander heiraten. Dieser Defekt ist für einige Krankheiten verantwortlich, die nur bzw. außergewöhnlich oft bei aschkenasischen Juden auftreten. Die Forscher stellten sich danach die Frage, warum ein solches Gen in der Evolution überlebte, wenn es doch nur Nachteile hat – dies würde ja dem genetischen Basisprinzip des Survival of the fittest widersprechen.
Ihre Hypothese ist, dass, wie bei anderen Gendefekten auch, das mutierte Gen sowohl Vorteile als auch Nachteile hat – und deswegen evolutionär überdauert, weil Erstere überwiegen. Sie glauben, dass dieses Gen für den aschkenasischen Intelligenzvorteil sorgt und für eine Gruppe, die jahrhundertelang in Europa von Grundbesitz und Macht ausgeschlossen war und in Händler- und Bankerberufe gedrängt wurde, ein besonderes Plus darstellte. Wissenschaftlich exakt beweisen lässt sich das nicht, aber es gibt immerhin ein paar Evidenzen, die die These stützen: So quellen die Kliniken, die die Aschkenasi-Krankheiten behandeln, förmlich über von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Rechtsanwälten.“
Und danach schloss Misik damals mit den Worten:
„All das klingt verdammt nach hanebüchener Eugenik, ist aber leider wissenschaftlich nicht unprofund. Der britische Economist widmete den ´Naturgenies´ eine große Story, die New York Times sowieso, im US-Magazin The New Republic zweifelt man kaum mehr daran, dass die Thesen der Wissenschaftler stimmen – dort fragt man sich schon, was daraus folgt, etwa für das Prinzip von der Gleichheit der Menschen. Und jüdische Autoren sorgen sich um den Nachwuchs: Wenn der sich darauf verlässt, genetisch zu den Klugies zu gehören, dann strengt er sich künftig womöglich nicht mehr an.“
Ich verstehe nichts von Humangenetik. Ich finde es aber traurig, dass Robert Misik heute so tut, als hätte er nicht – genau wie Thilo Sarrazin – Ergebnisse aus der Forschung referiert. Dass er heute Sarrazins Fürsprecher als „Freunde der neueren Intelligenzeugenik“ schmäht, um sich dann irgendwo zwischen Häme und Hilflosigkeit zu verheddern:
„Nun, da unsere Freunde der neueren Intelligenzeugenik offenbar ihre Schwierigkeiten mit dem sinnerfassenden Lesen haben, müssen wir hier ein bisschen Nachhilfe geben.
Offenbar können sie zwischen einer originellen wissenschaftlichen Hypothese, die sich auf auffällige Korrelationen stützt, und wissenschaftlichen Fakten, die auch Kausalitäten erklären können, nicht unterscheiden. Zwischen einer Möglichkeit und einem Faktum ist schon ein Unterschied, oder?“
Wissenschaftliche Fakten erklären Kausalitäten und stechen auf diese Weise auffällige Korrelationen aus, die bloß Hypothesen zu stützen vermögen, soso. Schade, dass Sir Karl Popper nicht mehr miterleben kann, wie furios heute in seiner Geburtsstadt Wien die wissenschaftstheoretische Büttenrede gepflegt wird.
Im Ernst: Warum ist eigentlich Fairness gegenüber dem politischen Gegner so schwierig? Warum kann Robert Misik nicht einfach sagen, dass er Sarrazins Aussagen über den Islam zwar falsch und politisch verheerend finde, dass Sarrazin aber wegen seiner Aussagen über das Judentum von den Franz Josef Wagners dieser Welt zu Unrecht angegriffen worden sei?