Thomas Strobl alias Weissgarnix gibt seit langem mit viel Rabulistik und großem Eifer die Schuldenmacherei als ein linkes Projekt aus. Doch erstens gehen ihm Verbündete von der Fahne und zweitens wird seine argumentative Position zunehmend unhaltbar.
Zum ersten Punkt: „Ist Schuldenmachen links?“, fragt Mark Schieritz im „Herdentrieb“, und seine Antwort beschreibt zunächst die bisherige Konvention:
„Der Charme der keynesianischen Lehre aus linker Sicht besteht darin, ein solches Vorgehen nicht nur aus unsozial, sondern als wachstumsfeindlich qualifizieren zu können. So gesehen ist das Schuldenmachen links, weil es die Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates auch in Zeiten knapper Kassen zu verteidigen hilft.“
Genau das ist Strobls Masche. Schieritz, den Strobl bisher als Verbündeten gesehen haben mag, weist nun aber zu Recht darauf hin, dass eine wahrhaft linke Position damit heute nicht mehr reüssieren kann:
„So weit so gut. Dauerhaft aber lässt sich der Sozialstaat natürlich nicht über Schulden finanzieren. Irgendwann streiken die Bondmärkte und vorher schon die Wähler und dann wird erst recht gekürzt. Deshalb hat die radikale Rechte in den USA, die das Biest bekanntermaßen aushungern will, ihre Freude an den ständig steigenden Schulden.
Also muss, wer den Wohlfahrtsstaat erhalten will, die Staatseinnahmen verbessern. Das bedeutet Steuererhöhungen. Die fordert es sich nicht so leicht wie ein neues Konjunkturprogramm – und auch die theoretische Begründung muss variiert werden. Zu zeigen wäre jetzt, dass eine höhere Grenzsteuerlast ebenso wie ein höherer Abgabenanteil am Bruttoinlandsprodukt eben nicht wachstumsschädlich ist. Dass also solide Staatsfinanzen ein hohes Gut sind.
Irgendwann also beginnt für die Linke die Stunde der Wahrheit, in Deutschland hat sie vielleicht sogar schon begonnen.“
So ist es. Und nebenbei wäre für Linke auch noch zu klären, was genau in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft eigentlich wachsen soll und ob das zugunsten von Konsum und Wirtschaftswachstum betriebene demografische deficit spending der letzten Jahrzehnte fortgesetzt werden soll.
Zum zweiten Punkt: Wolfgang Streeck und Daniel Mertens vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung stellen in ihrem lesenswerten Papier „Politik im Defizit“ fest, dass
„die Finanzierung der Politik der deutschen Bundesregierung der Logik eines Schneeball- oder Ponzi-Systems in der Definition von Hyman Minsky“
folgte. Um 2005 herum diente nämlich die gesamte Nettokreditaufnahme dazu, die Zinsen auf Altschulden zu bezahlen – genau das kennzeichnet nach Minsky ein Ponzi-System.
Für die USA wie für Deutschland zeigen Streeck und Mertens die harten Daten hinter der gängigen Politikerklage von den schrumpfenden Gestaltungsspielräumen. So hat sich im Bundeshaushalt der Anteil diskretionärer Ausgaben seit den 1970er Jahren auf rund ein Fünftel nahezu halbiert – und dies trotz der im Zeitverlauf gesunkenen Kriegsfolge- und Verteidigungsausgaben.
Streeck und Mertens gehen zum Schluss ihres Papers auf die Demokratiegefährdung ein, die der nach Weissgarnix & Konsorten angeblich so smarte Pumpkapitalismus bringt. Es erscheine
„alles andere als abwegig, den in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsenen Anteil der Nichtwähler an der Wählerschaft fast aller reichen Industriegesellschaften mit dem ebenfalls wachsenden Anteil nicht disponibler Ausgaben an den öffentlichen Haushalten und dem kontinuierlich Rückgang der fiskalischen Responsivität staatlicher Politik gegenüber neuen Problemlagen in Beziehung zu setzen.“
Tja, die Vokabel „Post-Demokratie“ (Colin Crouch) macht schon die Runde. Vielleicht sollte jeder echte Linke spätestens jetzt zu den pseudolinken Schulden-Freaks auf Distanz gehen.