Die Politik der Wanderblasen

Medien und Politiker wollen uns immer noch weismachen, gierige Bonusbanker hätten ganz allein die Weltwirtschaft ins Unglück gestürzt. In Wirklichkeit führt jedoch das Wachstums-Mantra der Politik die hochentwickelten Ländern  immer tiefer in den Schlamassel. Das zeigen Andreas Hoffmann und Gunther Schnabl in einem lesenswerten Beitrag über Geldpolitik und wandernde Blasen, der jetzt in in der Ökonomenstimme veröffentlicht wurde.  Hoffmann und Schnabl argumentieren, dass die Zentralbanken seit Jahrzehnten im Abschwung mit starken Zinssenkungen reagieren, im Aufschwung aber nur zögerlich die Zinsen anheben. Die Geldpolitik ist daher asymmetrisch, ähnlich wie die Fiskalpolitik auch. Der Zinstrend zeigt seit 1980 nach unten.  Beide, Geld- und Fiskalpolitik, werden asymmetrisch eingesetzt – weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Das Wirtschaftswachstum darf nicht enden, nie und nimmer. Nicht mal, wenn die Bevölkerung schon schrumpft. Wahnsinn mit Methode eben.

Quelle: Andreas Hoffmann/Gunther Schnabl, Auf eine Blase folgt eine Blase folgt eine Blase

 

Die Zinsabsenkung führt seit Jahrzehnten zu zyklischen Überinvestitionskrisen. Und wenn die Geldpolitik beim Nullzins angekommen ist, muss die Fiskalpolitik ran – notfalls wird Geld gedruckt.  Asymmetrische Geld- und Fiskalpolitik (die sich zu Unrecht teilweise auf Keynes beruft) produziert seit Jahrzehnten globale Wanderblasen in wechselnden Assetkategorien. Die asymmetrische Geldpolitik in Reaktion auf Krisen erleichtere zwar die Rückzahlung von Krediten durch die Krisenopfer, schlussfolgern die Autoren.

 „Doch die Kosten von nationaler Krisen werden in Form höherer Finanzmarktvolatilität und zukünftiger Inflation verschoben, verschleiert und willkürlich verteilt. Wir empfehlen deshalb auf Grundlage der Theorien von Mises, Hayek und Minsky, die Abkehr von der sehr expansiven und asymmetrischen Geld- und Finanzpolitik, auch wenn diese schmerzhaft ist. Denn bringen die Zentralbanken den erforderlichen Mut zum Ausstieg nicht auf, ist die jüngste griechische Tragödie nur ein Meilenstein auf einer langen Schleife Boomphasen, Krisen und monetären Rettungsaktionen, die uns unweigerlich in eine Welt von Inflation und Stagnation führen wird.“

Schön gerechnet oder schöngerechnet?

Hätten die US-Amerikaner ihre Preisindizes weiter wie früher berechnet, so wäre die Preissteigerungsrate seit Jahren höher und das reale BIP seit einem Jahrzehnt geschrumpft. Das geht aus John Williams Berechnungen hervor (siehe Grafiken unten), einem Unternehmensberater aus San Francisco, der die Website Shadow Government Statistics (SGS) betreibt und einen kostenpflichtigen Newsletter veröffentlicht.

Die USA-Statistiker führten Mitte der 1980er Jahre so genannte hedonische Preise bei Computern ein, 1987 bei Mieten, 1991 bei Bekleidung, 1993 bei  Mehrfamilienhäusern, 1997 bei digitalen Telefonanlagen, 1999 bei Fernsehern. Nach einer Schätzung von Deutsche Bank Research wurden Mitte des letzten Jahrzehnts schon für 30 Prozent aller Güter und Dienste in den USA die Preise nach hedonischen Verfahren berechnet. Solche Verfahren behandeln eine Produktverbesserung wie eine Preissenkung und können unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein. Sie öffnen allerdings auch der Willkür Tür und Tor – und schlimmstenfalls der bewussten Manipulation. Die fiktive Preissenkung der Statistiker führt zu geringeren  Inflationsraten und erhöht somit bei gegebenen Werten der nominalen Produktion die Wachstumsraten des realen BIP.

In Deutschland wurden 2002 hedonische Preisindizes für Computer eingeführt und dann mit der VGR-Revision von 2005 auch für den zurückliegenden Revisionszeitraum ab 1991 angewendet.

Die Kernschmelze des Pumpkapitalismus

Der Kolumne „Das Kapital“ in der FTD gelingt es immer mal wieder,  bewundernswert lakonisch die Weltläufte zu erklären. Unter der Überschrift „Die Enteignung, von der kaum jemand spricht“ hieß es gestern:

„Ein Banker ruft an und ist besorgt. Meint, dass seine Kunden noch jeden Schund kaufen würden, gleich was er koste, nur um die Kasse in ihren Portefeuilles auf ein Minimum zu reduzieren. Das ist genau das, was die Zentralbanken wollen, antworten wir: die Anleger in den Wahnsinn zu treiben, auf dass diese einen Vermögensmarkt nach dem anderen nach oben hieven. Und wer könnte es ihnen schon verdenken, wenn sie versuchen, ihr Geld loszuwerden? Reden wir nicht vom Euro-Raum, wo der Leitzins von einem Prozent mit einer Inflation von 2,4 Prozent konkurriert. In Britannien beläuft sich die Inflation nun auf 4,4 Prozent – bei einem Leitzins von 0,5 Prozent. Ergibt einen realen Satz von minus 3,9 Prozent. Und ist das beste Rezept für die nächste Runde von Blasenbildung und Kapitalfehlallokation.“

Sparer und Fixeinkommensbezieher sollen in den kapitalistischen Kernländern massenhaft enteignet werden, damit der Pumpkapitalismus noch eine – vielleicht seine letzte – Runde drehen kann. Wolfgang Münchau, früher mal FTD-Chefredakteur, heute Analyst in Brüssel und Kolumnist, untersuchte kürzlich unter der Überschrift „Kernschmelze des Kapitalismus“ die Interaktion von Atomcrash und Finanzkrise.

Der Atomcrash, so Münchau, wirke negativ auf die Solvenz Japans,  führe möglicherweise zur Korrektur der neuerlichen Asset Inflation in den internationalen Finanzmärkten, verschärfe die Probleme der Eurozone und trage zu dauerhaft steigenden Energiepreisen bei. Münchaus Schlussfolgerung finde ich plausibel:

„Welche dieser Krisenfaktoren überwiegen werden, ist noch nicht abzusehen. Sicher ist aber, dass nicht nachhaltige Systeme irgendwann untergehen. Für die Kernenergie ist dieser Moment spätestens mit Fukushima gekommen. In der Finanzindustrie wird der Prozess länger dauern. Eine Kernschmelze ist immer noch möglich. Und wenn wir das überstanden haben, vielleicht am Ende des Jahrzehnts, wird sich unserer kapitalistisches System von Grund auf geändert haben.“

Ob man von der bevorstehenden Kernschmelze des Kapitalismus schlechthin sprechen kann (wie Münchau in seiner Überschrift), bezweifele ich. Aber: Die Kernschmelze des von zauberlehrlingshaften Wachstumsfetischisten mit ankerlosem Papiergeld befeuerten Pumpkapitalismus steht sicher bevor.

 

Die große Arabien-Heuchelei

Mubaraks  Partei war noch bis Ende Januar Mitglied der Sozialistischen Internationale, aber kaum ein Medium findet das der Erwähnung wert. Es ist eh hochpeinlich, wie Politiker und Journalisten in kürzester Frist einen greisen Mann umetikettierten: vom befreundeten ägyptischen Staatspräsidenten zum folternden, mordenden Diktator und Pharao-Zombie. Um über ihren Opportunismus hinwegzutäuschen, solidarisieren sie sich um so angestrengter und wortreicher mit dem Freiheitskampf des ägyptischen Volkes.

Grafik: FAO

Wer sich derart vom Mantel der Geschichte gestreift fühlt, kann sich verständlicherweise nicht auch noch mit  schnöden Alltagsquerelen der Araber abgeben. So ist vielen entgangen, dass 40 Prozent der Ägypter von weniger als zwei Dollar am Tag leben und die steigenden Nahrungsmittelpreise ihnen den Schlaf rauben. Die Revolten in Ägypten und Tunesien sind zum Teil auch dem Umstand zuzuschreiben, dass der FAO-Index der Nahrungsmittelpreise einen historischen Höchststand erreicht und den bisherigen Rekord vom Sommer 2008 noch übertroffen hat (siehe Grafik).

Beim Blick auf die Zeitreihe muss man sich als Mensch des reichen Westens fragen, inwieweit wir zu diesen Preisexzessen beitragen, sei es als Klimasünder mit unseren CO2-Emissionen, sei es, weil wir es den Politikern und Notenbankern gestatten, Geld zu drucken als gäbe es kein Morgen – Geld, dass sich auch in den Rohstoff- und Foodmärkten seine spekulativen Anlagen sucht. Es ist bemerkenswert, wie auch die vielen linkskeynesianischen Freunde des Quantitative Easing und der forcierten Schuldenmacherei ganz selbstverständlich die Ärmsten der Welt für die Malaise leiden lassen wollen, die unsere reiche westliche Welt verursacht hat. Eine Welt, in der mittlerweile die Bevölkerungsmehrheit den Kampf mit dem Übergewicht verloren zu haben scheint. Der gute alte Keynes würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das Trauerspiel sähe.

siehe zu diesem Thema auch:

Franz Alt, „Ägypten und Tunesien – die ersten Klima-Revolutionen“ bei Carta

Gerald Braunberger, „Finanzinvestoren an den Rohstoffmärkten“ bei der FAZ

Tomasz Konicz, „Der erste große Klima-Aufstand“ bei Telepolis

Der Konjunktiv und die Staatsschulden

Carl Christian von Weizsäcker hat in der FAZ einen Beitrag veröffentlicht, der einige bemerkenswerte Gedanken zu aktuellen fiskalpolitischen Erfordernissen enthält und dafür von Thomas Strobl gelobt wird.  Weder Strobl, noch von Weizsäcker selbst finden es aber offenbar bedenklich, dass – wenn man von Weizsäckers Schätzung folgt – das wahre Ausmaß der Staatsverschuldung auf gut das Fünffache der offiziellen Zahl zu veranschlagen ist:

„Die expliziten (offenen) und impliziten (verdeckten) Staatsschulden belaufen sich in Deutschland auf rund 10 Billionen Euro. Dem entsprechen private Vermögensbestandteile der Bürger in genau glecher Höhe. Sie sind die Gläubiger des Staates – teils in Form von expliziten Kreditforderungen an den Staat in Höhe der expliziten Staatsschuld, größerenteils in Form von implizitem Vermögen wie Renten- und Pensionsansprüche. Für diese haben sie in der Vergangenheit durch Beiträge und Gehaltsverzicht (bei den Beamten) Leistungen erbracht. Auch die impliziten Ansprüche an das Gesundheitssystem und für den Fall einer Notsituation (Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II) sind für die Bürger zum Teil implizites Vermögen und für den Staat in genau gleicher Höhe implizite Staatsschuld. Das der Staatsschuld von rund 10 Billionen Euro entsprechende Vermögen der Bürger macht ungefähr das Fünffache des jährlichen privaten und staatlichen Konsums aus.“

Bezeichnenderweise wechseltvon Weizsäcker kurz darauf  in den Konjunktiv:

„Würden unsere Sozialversicherung und unsere Sozialhilfe insgesamt nach dem in der Privatversicherung üblichen Kapitaldeckungsverfahren arbeiten, dann verfügten sie zur Abdeckung ihrer künftigen Verpflichtungen gegenüber den Versicherten über einen Kapitalstock, der zusammen mit den privaten Ersparnissen der Versicherten rund das Achteinhalbfache des jährlichen Konsums der Versicherten ausmacht.“

Dummerweise gibt es eine Kapitaldeckung nicht. Die implizite Staatsschuld – die  der Bürger, wie von Weizsäcker richtig feststellt, zu seinen Vermögensbeständen rechnet, kann jederzeit durch einfaches Gesetz zusammengestrichen werden – so wie es bei der  „Rente mit 67“ schon geschieht. Mit haltlosen Versprechungen, permanenten Wachstumsverheißungen und angeblichen Wahlgeschenken hat die Politik über Jahrzehnte die Menschen in die Irre geführt. Spätestens wenn die Babyboomer in Rente gehen, dürfte die Blase platzen.

Staatsschulden, sagt von Weizsäcker zu Recht,  sind zugleich privates Vermögen. „Beide Seiten desselben Phänomens sind zu beachten, wenn es um den optimalen Haushalt geht. Bei niedrigen Realzinsen und hohen Exportüberschüssen ist ein Abbau der Staatsschulden die falsche Politik.“  Da ist was dran. Das Problem ist nur, dass die Zinsen durch schlichtes Anwerfen der Gelddruckmaschine künstlich niedrig gehalten werden, also durch eine  illusionäre Politik, die ständig perpetuiert wird und zu neuen, noch größeren Verwerfungen zu führen droht.

Während Strobl frohgemut für sein altes Lieblingsthema einer stärkeren Staatsverschuldung trommelt, ahnt von Weizsäcker,  was auf uns zu kommen könnte, verscheucht aber mit Hilfe vieler Konjunktive den Gedanken  wie einen schlechten Traum:

„Das Wichtige an dieser Erklärung des privaten Vermögens ist, dass diese Sparperiode von zehn Jahren eine Art ´Strukturparameter´ ist, der nicht ohne massive Eingriffe in den Sozialstaat oder die bürgerliche Sozialstruktur unserer Gesellschaft geändert werden kann. Um diese zehn Jahre Sparperiode wesentlich zu verringern, müsste man entweder tiefe Einschnitte in die sozialstaatliche Altersvorsorge vornehmen oder für die bessergestellten Schichten die private Vorsorge und das Vererben unmöglich machen, sei es durch Besteuerung oder auf anderem Wege. Beide Schritte kämen letztlich einer Destabilisierung unserer marktwirtschaftlich-demokratischen Gesellschaftsordnung gleich.“

Lauter Konjunktive. Das klingt als habe es die Destabilisierung von Gesellschaften  in der Geschichte noch nie gegeben.

Rentengarantie? Gelddruckpresse!

BILDPeer Steinbrück hat in einem FR-Interview leise – und allzu berechtigte – Kritik an der so genannten Rentengarantie geübt, die ungefähr so seriös ist wie Norbert Blüms Die-Rente-ist-sicher-Spruch aus den 1990er Jahren. In der Zeitung mit den großen Buchstaben ist das Geschrei groß, und auch Thomas Strobl nutzt die Gelegenheit, um abermals auf die SPD einzuteufeln. Der österreichische Alphablogger aus dem Hamburger Schanzenviertel ist anscheinend ganz wild darauf,  so viele Wählerstimmen wie möglich von der SPD zur Linkspartei umzulenken. 

In der eigenen Partei stößt Steinbrück erwartungsgemäß auch auf Widerspruch. „Ich kann die Kritik des Ministers intellektuell nicht nachvollziehen“, sagt laut Handelsblatt der Genosse Karl Lauterbach. Und weiter: „Die Rentengarantie ist besonders wichtig für die junge Generation, weil sie wissen will, ob der Rentenbeitrag, den sie jeden Monat zahlt, später auch noch etwas wert ist.“ Ah, ja. Verarschen kann ick mir alleene, würde der Berliner sagen.

Nur im Blog mit dem beziehungsreichen Namen Verlorene Generation, da wissen sie, was sie an Steinbrücks Know-how und seinen vergleichsweise klaren Aussagen haben.

Dort wissen sie auch, was aus der – nominalen – „Rentengarantie“ werden wird: „Früher oder später sitzt unsere Generation an den Hebeln der Gelddruckpresse – und dann wird gedruckt!“