Japanische Krankheit und demografischer Niedergang

Wenn ich auf dieses Chart von Dylan Grice schaue – er ist Analyst bei der Société  Générale in London – halte ich es fast für ausgeschlossen, dass die lang anhaltende stagnative Phase der japanischen Wirtschaft,  von den Leitartiklern gern „japanische Krankheit“ genannt,  mit Demografie nichts zu tun hat. Nur: In Deutschland redet kaum jemand darüber. Es erforscht auch kaum jemand die möglichen Zusammenhänge zwischen Demografie und wirtschaftlichem Wachstum. Das liegt an der Tabuisierung des Demografie-Themas durch politisch korrekte Aufpasser.

Dylan Grice stellt in dem Chart die arbeitsfähige Bevölkerung einiger früh industrialisierter Länder zwischen 1950 und 2050 dar, indiziert auf 1950. Die Basis bilden Veröffentlichungen der UNO. Beim Blick auf das Chart versteht man sofort, warum der Economist die USA mal als „funktionierendes Ponzi-System“ bezeichnet hat – eigentlich ja ein Widerspruch in sich. Aber in den  USA wächst eben tatsächlich – bisher jedenfalls – durch gelingende Integration ehrgeiziger Einwanderer immer wieder etwas nach, so dass der Kettenbrief nicht reißt.

Nach dem schmerzhaften Schuldenabbau wird möglicherweise der große melting pot wieder recht gute Wirtschaftsperspektiven haben. Frankreich und das Vereinigte Königreich können sich nach den vorliegenden Projektionen auf eine relativ stabile Arbeitsbevölkerung bis zur Mitte des Jahrhunderts einstellen.

Anders sieht es für Japan und Deutschland aus.  Beide haben erhebliche demografische Probleme und nahmen – wahrscheinlich auch deshalb – an der großen Immobilienblase der letzten Jahre schon gar nicht mehr teil. Für Japan zeichnet das Chart ein besonders düsteres Bild. Die Arbeitsbevölkerung – aus ihrem jüngeren Teil rekrutieren sich natürlich auch die Haushaltsgründer mit hoher Konsumnachfrage – überschritt in Japan schon in den 1990er Jahren ihren Zenit. Also just in dem Jahrzehnt, in dem die „japanische Krankheit“ ausbrach.

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Lübberding meets Blüm: „Die Renten sind sicher“

Vielen Dank! Wie um mein Posting „Diskussionsverweigerung“ zu bestätigen, führt Frank Lübberding, Co-Autor von Thomas Strobl bei weissgarnix, in diesem Kommentar so ziemlich alle Tricks vor, mit denen man einer echten Diskussion aus dem Weg geht. Wie manNebelbomben schmeißt, um den Andersdenkenden als Deppen und sich selbst als Durchblicker darzustellen.

Genießen wir Herrn Lübberding, der sich auf meine Ausführungen zur impliziten Staatsverschuldung bezieht, im Wortlaut:

„Diese implizite Staatsverschuldung ist der Popanz der Neoliberalen zur Verschiebung der Sozialen Sicherung zugunsten der Finanzmärkte gewesen. Das sollten auch Sozialdemokraten endlich begriffen haben, Herr Daffke. Er scheint ja Ökonom zu sein. Jede Verschuldung – ob privat oder staatlich – ist “implizit”, weil sie ein Zahlungsversprechen und damit eine Prognose über die zukünftige Leistungsfähigkeit einer Vowi abgibt. Ob Zinsen oder Renten: Sie werden immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt. Dafür ist nicht die Zahl der Köpfe entscheidend, sondern die gesamtwirtschaftliche Produktivität und die Verteilung dieser Zuwächse innerhalb der Gesellschaft. Alles andere ist schlichter Mumpitz. Der demografische Wandel ist ein enormes gesellschaftspolitisches Problem, aber kein makroökonomisches wenn man die Stellschauben entsprechend setzt. Die Daffkes dieser Welt, die bei den Sozialversicherungen und den Staatschulden gerne vom Ponzi Schema reden, haben übrigens nichts dagegen gehabt, dass wir unsere Ersparnisse auf den Finanzmärkten versenken.“

Frank Lübberding behauptet quasi, ich sei ein Neoliberaler (das musste ja kommen), der als Mitarbeiter der IKB, der Sächsischen Landesbank oder der HSH-Nordbank „unsere Ersparnisse auf den Finanzmärkten“ versenkt hat. Dabei kennt er mich gar nicht.

Sodann wiederholt er die von der Empirie längst widerlegten Argumente, die Norbert Blüm Mitte der 1990er Jahre vortrug als er PR-wirksam das schöne Plakat „Die Renten sind sicher“ klebte. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, ob sich in einer alternden, schrumpfenden Gesellschaft womöglich Konsum- und Produktionsstrukturen herausbilden könnten, die c. p. zur Absenkung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität führen (was  gesellschaftpolitisch wie makroökonomisch relevant wäre).

Beim Konzept der impliziten Staatsschuld geht es mitnichten darum, den Sozialstaat zu schleifen. Sondern darum, die Nachhaltigkeit politischen und staatlichen Handelns zu überprüfen. Wer den Begriff „implizite Staatsschuld“ nicht mag, kann auch von der „Tragfähigkeitslücke öffentlicher Haushalte“ sprechen. Das hat der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2003/2004 getan und die nicht ohne weiteres erkennbare Lücke – also die implizite Staatsschuld – auf 270 % des BIP geschätzt. Mittlerweile dürfte sich diese Lücke aber reduziert haben, vor allem durch die „Rente mit 67“.

Man sieht daran, dass der gute Frank Lübberding leider irrt, wenn er meint, es gäbe keinen Unterschied: Explizite Staatschulden sind verbrieft, implizite Staatsschulden – also zum Beispiel Ansprüche an die gesetzliche Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung – sind nicht verbrieft, sondern lassen sich durch einfaches Gesetz zusammenstreichen, manchmal sogar auf demVerordnungsweg. Seit Blüms Plakataktion vor 15 Jahren ist genau das diverse Male passiert. Wie schön, dass Norbert Blüm und Frank Lübberding ganz genau die Schuldigen an geplatzten Blasen kennen: Die bösen, bösen Neoliberalen!

Rentengarantie? Gelddruckpresse!

BILDPeer Steinbrück hat in einem FR-Interview leise – und allzu berechtigte – Kritik an der so genannten Rentengarantie geübt, die ungefähr so seriös ist wie Norbert Blüms Die-Rente-ist-sicher-Spruch aus den 1990er Jahren. In der Zeitung mit den großen Buchstaben ist das Geschrei groß, und auch Thomas Strobl nutzt die Gelegenheit, um abermals auf die SPD einzuteufeln. Der österreichische Alphablogger aus dem Hamburger Schanzenviertel ist anscheinend ganz wild darauf,  so viele Wählerstimmen wie möglich von der SPD zur Linkspartei umzulenken. 

In der eigenen Partei stößt Steinbrück erwartungsgemäß auch auf Widerspruch. „Ich kann die Kritik des Ministers intellektuell nicht nachvollziehen“, sagt laut Handelsblatt der Genosse Karl Lauterbach. Und weiter: „Die Rentengarantie ist besonders wichtig für die junge Generation, weil sie wissen will, ob der Rentenbeitrag, den sie jeden Monat zahlt, später auch noch etwas wert ist.“ Ah, ja. Verarschen kann ick mir alleene, würde der Berliner sagen.

Nur im Blog mit dem beziehungsreichen Namen Verlorene Generation, da wissen sie, was sie an Steinbrücks Know-how und seinen vergleichsweise klaren Aussagen haben.

Dort wissen sie auch, was aus der – nominalen – „Rentengarantie“ werden wird: „Früher oder später sitzt unsere Generation an den Hebeln der Gelddruckpresse – und dann wird gedruckt!“