Was gibt es eigentlich zu erben?

Zwei Wirtschaftsjournalisten führender Blätter streiten sich. Der eine, Holger Steltzner von der FAZ, sieht nichts als Schulden, mit denen wir die Kinder belasten, insgesamt 8 Billionen Euro Staatsschulden, inklusive der so genannten impliziten Schuld. Der andere, Mark  Schieritz von der Zeit, kritisiert den FAZ-Mann zu Recht für dessen einseitige Sicht. Dumm nur, dass er seinerseits nur Guthaben sieht, mit denen wir die Nachkommen beglücken. Er kommt mit dem Bruttogeldvermögen der Privathaushalte in Höhe von 4,8 Billionen Euro um die Ecke.

Also muss ein wirtschaftspolitisch interessierter Gelegenheitsblogger mal die richtigen Zahlen zeigen – besser gesagt: die offiziellen Zahlen von Bundesbank und Statistischem Bundesamt. Und – siehe da – eine ordentliche Bilanz hat zwei Seiten:

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Japanische Krankheit und demografischer Niedergang

Wenn ich auf dieses Chart von Dylan Grice schaue – er ist Analyst bei der Société  Générale in London – halte ich es fast für ausgeschlossen, dass die lang anhaltende stagnative Phase der japanischen Wirtschaft,  von den Leitartiklern gern „japanische Krankheit“ genannt,  mit Demografie nichts zu tun hat. Nur: In Deutschland redet kaum jemand darüber. Es erforscht auch kaum jemand die möglichen Zusammenhänge zwischen Demografie und wirtschaftlichem Wachstum. Das liegt an der Tabuisierung des Demografie-Themas durch politisch korrekte Aufpasser.

Dylan Grice stellt in dem Chart die arbeitsfähige Bevölkerung einiger früh industrialisierter Länder zwischen 1950 und 2050 dar, indiziert auf 1950. Die Basis bilden Veröffentlichungen der UNO. Beim Blick auf das Chart versteht man sofort, warum der Economist die USA mal als „funktionierendes Ponzi-System“ bezeichnet hat – eigentlich ja ein Widerspruch in sich. Aber in den  USA wächst eben tatsächlich – bisher jedenfalls – durch gelingende Integration ehrgeiziger Einwanderer immer wieder etwas nach, so dass der Kettenbrief nicht reißt.

Nach dem schmerzhaften Schuldenabbau wird möglicherweise der große melting pot wieder recht gute Wirtschaftsperspektiven haben. Frankreich und das Vereinigte Königreich können sich nach den vorliegenden Projektionen auf eine relativ stabile Arbeitsbevölkerung bis zur Mitte des Jahrhunderts einstellen.

Anders sieht es für Japan und Deutschland aus.  Beide haben erhebliche demografische Probleme und nahmen – wahrscheinlich auch deshalb – an der großen Immobilienblase der letzten Jahre schon gar nicht mehr teil. Für Japan zeichnet das Chart ein besonders düsteres Bild. Die Arbeitsbevölkerung – aus ihrem jüngeren Teil rekrutieren sich natürlich auch die Haushaltsgründer mit hoher Konsumnachfrage – überschritt in Japan schon in den 1990er Jahren ihren Zenit. Also just in dem Jahrzehnt, in dem die „japanische Krankheit“ ausbrach.

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Rentengarantie? Gelddruckpresse!

BILDPeer Steinbrück hat in einem FR-Interview leise – und allzu berechtigte – Kritik an der so genannten Rentengarantie geübt, die ungefähr so seriös ist wie Norbert Blüms Die-Rente-ist-sicher-Spruch aus den 1990er Jahren. In der Zeitung mit den großen Buchstaben ist das Geschrei groß, und auch Thomas Strobl nutzt die Gelegenheit, um abermals auf die SPD einzuteufeln. Der österreichische Alphablogger aus dem Hamburger Schanzenviertel ist anscheinend ganz wild darauf,  so viele Wählerstimmen wie möglich von der SPD zur Linkspartei umzulenken. 

In der eigenen Partei stößt Steinbrück erwartungsgemäß auch auf Widerspruch. „Ich kann die Kritik des Ministers intellektuell nicht nachvollziehen“, sagt laut Handelsblatt der Genosse Karl Lauterbach. Und weiter: „Die Rentengarantie ist besonders wichtig für die junge Generation, weil sie wissen will, ob der Rentenbeitrag, den sie jeden Monat zahlt, später auch noch etwas wert ist.“ Ah, ja. Verarschen kann ick mir alleene, würde der Berliner sagen.

Nur im Blog mit dem beziehungsreichen Namen Verlorene Generation, da wissen sie, was sie an Steinbrücks Know-how und seinen vergleichsweise klaren Aussagen haben.

Dort wissen sie auch, was aus der – nominalen – „Rentengarantie“ werden wird: „Früher oder später sitzt unsere Generation an den Hebeln der Gelddruckpresse – und dann wird gedruckt!“

Gesamt-Staatsschuld steigt auf 250 % des BIP

Wie die FAZ berichtet, wird bei der offiziellen Staatsschuld die 60-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrages nach aktueller Planung auf Jahre hinaus überschritten: „Lag die Staatsschuld 2008 noch bei 65,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so springt sie dieses Jahr auf 74 Prozent. Das geht aus der Tischvorlage des Bundesfinanzministeriums für den Finanzplanungsrat hervor, der am Mittwoch in Berlin zusammenkam. Danach wird sich die Staatsschuld im Jahr 2010 weiter auf 79 Prozent erhöhen. Bis 2013 soll sie sich nach dem Tableau bei 82 Prozent stabilisieren.“

Neben der offiziell ausgewiesenen Staatsschuld steigt in der Wirtschaftskrise auch die so genannte implizite Staatsschuld. Das geht aus Schätzungen hervor, die von der Stiftung Marktwirtschaft veröffentlicht wurden. Statt vier Billionen Euro bzw. 168 Prozent des BIP wie beim letzten Update v0n 2008 erreiche die gesamte Staatsverschuldung jetzt sechs Billionen Euro, entsprechend 250 Prozent der Wirtschaftsleistung, sagen die Freiburger Forscher um Bernd Raffelhüschen, die diese Daten zusammenstellten.  Sie rechnen dabei noch mit dem Basisjahr 2007, in dem die offizielle Staatsschuld  bei 64,8 Prozent des BIP lag. Die implizite Staatsschuld – vor allem bestehend aus zukünftigen Beamtenpensionen sowie fällig werdenden Leistungen der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung – beläuft sich dementsprechend auf rund 185 Prozent des BIP.

Die FAZ zitiert Raffelhüschen mit der Aussage, Rot-Grün habe bei der Rente mehr zugunsten der nachwachsenden Generation getan als die Große Koalition. Das ist kompatibel mit dem Umstand, dass der Sachverständigenrat Ende 2003 die Nachhaltigkeitslücke (der SVR nennt sie Tragfähigkeitslücke) noch auf insgesamt 330 Prozent des BIP veranschlagt hatte (wenn auch sicherlich nicht mit exakt derselben Methodik wie bei den Freiburgern berechnet).

Die These, Rot-Grün sei 2005 politisch gescheitert, weil die Politik von Schröder und Fischer vergleichsweise nachhaltig – und notabene allerdings für viele Menschen unbequem – war, gewinnt durch wirtschaftswissenschaftliche Analysen eine gewisse Plausibilität. Vor kulturpessimistischen Anwandlungen schützt uns dann nur noch der Verdacht, diese Politik sei zu schlecht kommuniziert worden.