Wagenknecht bei Maischberger: “Soziale Verbrechen”

Bei FR-online gibt´s eine Besprechung der gestrigen Maischberger-Sendung, und die Verfasserin Judith von Sternberg zitiert einen Diskussionsbeitrag von Sahra Wagenknecht:

Gemeinsam war der Runde auch der fürchterliche Ärger über Sahra Wagenknecht (Die Linke), die den Altersdurchschnitt der Gästerunde senkte sowie den Frauenanteil erhöhte. Aber, ach, nicht das Niveau. Sie erklärte, die SPD habe mit ihren „sozialen Verbrechen“ ihre „Existenzberechtigung“ verloren. Ob sie eben „soziale Verbrechen“ gesagt habe, fragte Maischberger nach. In der Krise, so Wagenknecht, sei die Politik nun „zu feige“, die Lasten „den oberen Zehntausend“ aufzubürden.

Ich habe die Sendung gesehen und weiß daher, dass Sahra Wagenknecht der SPD tatsächlich „soziale Verbrechen“ vorgeworfen hat.  Sie wird von der FR korrekt zitiert.

 Den 83-jährigen Hans-Jochen Vogel habe ich halb bewundert, halb im Geiste gescholten, weil er darauf sehr ruhig und sachlich geantwortet hat. Es liegt ja immerhin auch die Frage nahe, welche Urteile die der „sozialen Verbrechen“  Beschuldigten zu erwarten hätten, wenn Sahra Wagenknecht politische Macht bekäme. Das böse Wort von den „Novemberverbrechern“ ist Geschichte und kam von rechts.  „Agendaverbrecher“ wäre auch eine rechte, eine reaktionäre Vokabel.

Nach dem CDU-Einbruch wird´s doch noch spannend

Nach den heutigen Landtagswahlen wird der Wahlkampf lebhafter werden. Die Gladiatoren werden sich als Kämpfer für eine Richtungswahl ausgeben und heftiger als bisher auf einander eindreschen. Die Chance, eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bund zu verhindern, ist deutlich gewachsen, und es ist nicht auszuschließen, dass Frank-Walter Steinmeier doch noch Kanzler einer Ampel-Koalition wird.

Niederlage
Spiegel online zeigt traurige CDU-Anhänger

Die Linkspartei konnte jedoch heute eine Krisen-Dividende einfahren. Die verständliche Wut vieler Menschen auf die „Bankster“ hat ihr Proteststimmen eingebracht, „erschreckend viele“, wie  es bei Verlorene Generation heißt.

Wer am 27. September 2009 die Linkspartei wählt, verschenkt seine Stimme. Steinmeier und Müntefering werden eher an einer Gangbang-Party im Vatikan teilnehmen als mit Lafontaine im Bund  paktieren.

Professor Butterwegges Murmeltiertage

MurmeltierWirtschaftstheorien gibt es die Menge. Es ist auch unglaublich viel Blödsinn darunter. Ich kenne allerdings keinen wirtschaftstheoretischen Ansatz, der besagt, dass die Zahl der produktiven Arbeitsplätze oder das Maß des Wohlstands in einer Gesellschaft vom Bildungs- und Ausbildungsstand der Bevölkerung unabhängig seien.

Solche Ansätze kennt anscheinend Christoph Butterwegge (wobei: er verrät sie leider nicht). Der Kölner Professor für Politikwissenschaft ist unermüdlich im Dienst der Linkspartei, … ähem, pardon: im Dienst der Wissenschaft unterwegs, um den Menschen klarzumachen, dass monetäre Umverteilung das einzige Rezept gegen Armut darstelle. Das Gerede über Bildung und Bildungsarmut sei hingegen bloß ein neoliberales Ablenkungsmanöver.

Am 18. Oktober 2006 gibt Christoph Butterwegge für den “Faktencheck” von “Hart aber fair” gegenüber wdr.de als wissenschaftliche Erkenntnis zu Protokoll, dass die Zahl der Arbeitsplätze fix und  fleißiges Lernen der Vielen mitnichten ein probates Mittel der Armutsbekämpfung sei:

“Wenn alle Kinder mehr Bildung bekämen, würden sie um die wenigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren. Folglich gäbe es mehr Taxifahrer mit Abitur oder abgeschlossenem Hochschulstudium, aber kaum weniger Armut.”

Am 18. Dezember 2006 gibt Christoph Butterwegge auf den “Nachdenkseiten” unter der Überschrift “Neoliberaler Unsinn” folgendes zu bedenken:

 “Wenn alle Kinder mehr Bildung bekämen, würden sie womöglich um die wenigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren. Folglich gäbe es am Ende mehr Taxifahrer mit Abitur und abgeschlossenem Hochschulstudium, aber kaum weniger Armut.”

Was für Kinder richtig ist, kann für Jugendliche nicht falsch sein. Am 12. Juni 2008 modifiziert Christoph Butterwegge in einem FR-Artikel unter der Überschrift “Bildung schützt vor Armut nicht” seine Aussage entsprechend:

 “Denn wenn alle Jugendlichen – was durchaus wünschenswert wäre – mehr Bildungsmöglichkeiten bekämen, würden sie um die wenigen Ausbildung- und Arbeitsplätze womöglich nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren. Dann gäbe es wieder mehr Taxifahrer mit Abitur oder Hochschulabschluss, aber nicht weniger Arme.”

Am 31. 10. 2008 erscheint unter der Überschrift “Nebelkerze Bildung” ein Artikel von Christoph Butterwegge in der taz, in dem es unter anderem heißt:

“Was unter günstigen Umständen zum individuellen Aufstieg taugt, versagt als gesellschaftliches Patentrezept. Denn wenn alle Jugendlichen – was natürlich wünschenswert wäre – mehr Bildungsmöglichkeiten bekämen, würden sie womöglich um die immer noch viel zu wenigen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren.”

Am Forschungsstand ändert sich nichts. Christoph Butterwegge teilt am 22. Juni 2009 auf stern.de unter der Überschrift “Hilft mehr Bildung gegen Armut?” einmal mehr mit:

 “Denn wenn alle Jugendlichen – was natürlich wünschenswert wäre – mehr Bildungsmöglichkeiten bekämen, würden sie womöglich um die immer noch viel zu wenigen Ausbildungs- und Arbeitsplätze nur auf einem höheren Niveau konkurrieren, nicht aber mit besseren Chancen. Dann gäbe es wieder mehr Taxifahrer mit Abitur, aber noch genauso viele Arme.”

Was soll an Butterwegges Haltung links sein?

Ob jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss verlässt oder nur jeder Zwanzigste. Ob 20 Prozent studieren oder 50 Prozent. Ob wir den Kindern der Zugewanderten durch frühkindliche Bildung Integrations- und Aufstiegschancen geben oder nicht. Ist eh alles ziemlich wurscht – sagt der Professor.

Vorrang für Gegenwartskonsum zu Lasten der Zukunftsinvestition, statisches Denken und strukturkonservativer Dogmatismus, Geringschätzung von Bildung als eines auch über das Materielle hinausreichenden Reichtums – das alles soll “links” sein? Ach was! Da rotiert der olle Marx in seinem Grab auf dem Highgate-Friedhof, dass es für die ganzjährige Stromversorgung des Großraums London reicht.

Nichts, aber auch gar nichts spricht dagegen, die starken Schultern mehr als die schwachen zu belasten, die Steuertarife progressiv zu gestalten, von oben nach unten umzuverteilen. Allerdings sind die Einkommen in Deutschland immer noch relativ gleichmäßig verteilt, während die Bildungschancen der Jüngeren – das zeigen drei große PISA-Studien – bei uns so weit auseinanderklaffen wie in keinem anderen OECD-Land. Wer angesichts dessen im Zweifel stets gegen Bildung argumentiert ist nicht zukunftsorientiert, sondern rückwärtsgewandt.

„Und täglich grüßt das Murmeltier“, die Filmkomödie aus den 90er Jahren, endet übrigens mit der Läuterung des in der Zeitschleife Gefangenen.

Rentengarantie? Gelddruckpresse!

BILDPeer Steinbrück hat in einem FR-Interview leise – und allzu berechtigte – Kritik an der so genannten Rentengarantie geübt, die ungefähr so seriös ist wie Norbert Blüms Die-Rente-ist-sicher-Spruch aus den 1990er Jahren. In der Zeitung mit den großen Buchstaben ist das Geschrei groß, und auch Thomas Strobl nutzt die Gelegenheit, um abermals auf die SPD einzuteufeln. Der österreichische Alphablogger aus dem Hamburger Schanzenviertel ist anscheinend ganz wild darauf,  so viele Wählerstimmen wie möglich von der SPD zur Linkspartei umzulenken. 

In der eigenen Partei stößt Steinbrück erwartungsgemäß auch auf Widerspruch. „Ich kann die Kritik des Ministers intellektuell nicht nachvollziehen“, sagt laut Handelsblatt der Genosse Karl Lauterbach. Und weiter: „Die Rentengarantie ist besonders wichtig für die junge Generation, weil sie wissen will, ob der Rentenbeitrag, den sie jeden Monat zahlt, später auch noch etwas wert ist.“ Ah, ja. Verarschen kann ick mir alleene, würde der Berliner sagen.

Nur im Blog mit dem beziehungsreichen Namen Verlorene Generation, da wissen sie, was sie an Steinbrücks Know-how und seinen vergleichsweise klaren Aussagen haben.

Dort wissen sie auch, was aus der – nominalen – „Rentengarantie“ werden wird: „Früher oder später sitzt unsere Generation an den Hebeln der Gelddruckpresse – und dann wird gedruckt!“