Frank Walter Steinmeier hat bei manchen Gelegenheiten – zum Beispiel als Opel- und Karstadtretter vor der Europawahl – tatsächlich keine glückliche Figur gemacht. Steinmeier ist natürlich auch nicht der Medienkanzlerkandidat, der Schröder einst war. Nur: Die Unwilligkeit, sich den Regeln einer entfesselten Medienmeute zu unterwerfen, wird merkwürdigerweise von denselben Leuten bei Steinmeier bekrittelt und bei Merkel gelobt.
„Es gibt in diesem Wahlkampf einen antisozialdemokratischen Affekt“, schrieb Jürgen Busche kürzlich in der „Zeit“. Es handele sich um eine Art Herdenverhalten im ehemals rot-grünen Milieu, im linken Spektrum der veröffentlichten Meinung.
Woher der antisozialdemokratische Affekt kommt? Es ist der Mix aus dem Eindruck, die SPD habe diesmal eh keine Chance und dem Wunsch, mit der ungeliebten Agenda-SPD Schluss zu machen. Viele verstehen die globalisierte Welt nicht mehr – was nicht nur mit deren Komplexität, sondern auch mit fehlender ökonomischer Bildung oder selektiver Wahrnehmung zu tun haben könnte – und geben der Agenda die Schuld am Unglück dieser Welt. Sancta simplicitas!
Die „Stones“-Hasser im linken Spektrum täuschen sich. Schröders Agenda wies zwar in der Ausführung handwerkliche Fehler auf, sie wurde nicht gut genug erklärt, und spätestens 2005 machte die Agenda-SPD Wahlkampf gegen sich selbst. Dass wir aber mehr Eigenbeteiligung und mehr Eigenverantwortung brauchen, ist und bleibt der richtige Kerngedanke der Agenda.
Die SPD, die in der deutschen Geschichte schon öfter den Karren aus dem Dreck ziehen musste, hatte – anders als die konservativ-liberale Regierung in 16 langen Regierungsjahren – den Mut dies auszusprechen und ansatzweise umzusetzen. Schröder, das ist richtig, hatte sich im Wahlkampf 2002 kein Mandat für schmerzhafte Reformpolitik geholt. Vielleicht hätte er auch keins bekommen. „Wasch´mir den Pelz, aber mach´mich nicht nass“, ist nämlich die Devise der Wählermehrheit. Seit zehn bis fünfzehn Jahren ahnt oder weiß diese Mehrheit ziemlich genau, dass es mit den Flatrates des Wohlfahrtsstaates so nicht weitergehen kann. Viele wollen auch, dass energisch reformiert wird – aber doch bitte, Sankt Florian lässt grüßen, bei anderen.