Wenn einer schreibt,
„dass die Griechen, Spanier und Portugiesen nicht ´über ihre Verhältnisse´ gelebt haben, sondern dass ihre Probleme mit den wirtschaftlichen Ungleichgewichten der Eurozone zusammenhängen“,
dann macht er aus Absicht oder Unvermögen die Realität durch Sprache unkenntlich. Es ist der alte Ösi-Schwurbler Robert Misik, der da in der taz über ominöse „Ungleichgewichte“ fabuliert. Selbstverständlich haben die Südländer dank Euro eine zeitlang mehr konsumieren können als dem „Gleichgewicht“ gut tat. Sie haben, mit anderen Worten, über ihre Verhältnisse gelebt.
Traurig für die taz, dass sie solchen Käse bringt. Zumal Misiks Thema eigentlich wirklich wichtig ist: Die Idee der europäischen Einigung kann leider dank der fehlkonstruierten Währungsunion und dem ungeschickten Agieren der Euro-Retter zunehmend von rechts diskreditiert werden.
Hans Magnus Enzensberger zeigt in seinem jüngst veröffentlichten Büchlein „Sanftes Monster Brüssel oder die Entmündigung Europas“ eindrucksvoll, wie weit er den Schwurblern sprachlich und analytisch voraus ist. Kostprobe:
„Schuld an der Misere ist, wenn man den Politikern Glauben schenkt, ganz allein die Spekulation. Von dieser unerfreulichen Erscheinung sprechen sie wie von einem Spuk, der schwer zu erklären und noch schwerer zu verscheuchen ist. Dabei gehört sie zur Geschäftsgrundlage des Kapitalismus. Die Spekulanten testen den Markt auf seine Schwachstellen; sie reagieren auf die Zunahme der politisch verursachten Staatsverschuldung; sie schätzen die ökonomischen Ungleichgewichte ab, die aus der Fehlkonstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion folgen; und sie analysieren die Fliehkräfte, die das erzeugt.“
Enzensberger scheut sich im Gegensatz zu Misik nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. „Brüssel“ stehe in seiner momentanen Verfassung für nichts anderes als: den „Eintritt in ein postdemokratisches Zeitalter.“ Der Kontinent sei aber in seiner Geschichte schon mit ganz anderen Monstern fertiggeworden.