Der Kairos der Kanzlerin

Es lohnt sich, das Interview anzuschauen, das der Staatsrechtler Oliver Lepsius von der Universität Bayreuth dem Bayerischen Rundfunk gegeben hat. Professor Lepsius leitet heute den Lehrstuhl, den Guttenbergs unglücklicher Doktorvater früher innehatte.

Hochinteressant ist – wie so oft – Zettels Analyse:

„Das Sensationelle ist, daß der Jurist Lepsius den Freiherrn explizit einen Betrüger nennt.

Ich habe mich bisher nicht getraut, das in diesem Blog zu tun, ohne – wie das auch Thomas Oppermann im Bundestag gemacht hat – hinzuzufügen „im umgangssprachlichen Sinn“ oder ähnlich. Denn Betrug im juristischen Sinn ist natürlich ein strafbares Delikt.

Wenn der Jurist Lepsius jetzt Guttenberg ausdrücklich Betrug vorwirft, dann bringt er diesen in Zugzwang. Er kann wegen Verleumdung oder übler Nachrede klagen. Dann wird er vor Gericht den Beweis führen müssen, daß er nicht betrogen hat. Oder er kann das auf sich sitzen lassen. Dann wird künftig jeder Bürger, jeder Abgeordnete im Bundestag berechtigt sein, den Freiherrn einen Betrüger zu nennen.“

Gerd Langguth, Politikprofessor in Bonn, Merkel-Biograf  (und nebenbei ein CDU-Urgestein), sieht die Regierung in einer Glaubwürdigkeitskrise und schließt für den Fall, dass neue Erkenntnise ans Licht kommen, selbst eine veritable Regierungskrise nicht aus:

„Die Affäre wird sich wohl nicht zu einer Regierungskrise ausweiten, eher zu einer Glaubwürdigkeitskrise der bürgerlich-liberalen Koalition, da ja aus dieser Richtung in besonderer Weise Werte wie Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit eingefordert werden. Steigerungen in diesem Konflikt sind aber durchaus noch denkbar, keinesfalls ist der Fall mit einer Fragestunde im Deutschen Bundestag abgeschlossen. Auszuschließen sind neue Erkenntnisse nicht. Erst diese könnten eine Regierungskrise hervorrufen.“

SPD-Chef Gabriel zielt bereits auf Angela Merkel. Die promovierte Physikerin wird ihre flapsig-schlimme  Bemerkung über wissenschaftliche Assistenten einerseits und Minister andererseits längst bereut haben. Dirk Hautkapp kolportiert heute bei Der Westen Stimmen aus der CSU, die mit Guttenbergs Ministerkarriere gedanklich abgeschlossen haben:

„Die von Kanzlerin Angela Merkel hoffähig gemachte Persönlichkeitsspaltung – hier der wissenschaftliche Wegelagerer, dort der tatkräftige Bundeswehrreformer – werde niemals funktionieren, ist man sich in München sicher. Und wenn sich der ´Schock´ erst gelegt habe, ´wenn vom Kopf in den Bauch gesackt ist´, um ´welche Dimension des Glaubwürdigkeitsverlustes´ es bei der Plagiatsaffäre gehe, sagte ein CSU-Oberer der WAZ-Mediengruppe, dann werden ´die Bürger die Brandmauer selbst einreißen, die sie für ihren Star im ersten Überschwang hochgezogen haben´.“

So ähnlich habe ich in meinem gestrigen Beitrag auch argumentiert. Um mal eine Imponier-Vokabel aus Guttenbergs famoser Einleitung zu zitieren: Es kommt jetzt alles auf den Kairos an. Wehe der Bundeskanzlerin, wenn sie den spätestmöglichen Zeitpunkt für die Entlassung verpasst (so er denn nicht von sich aus geht).

Nachtrag, 20 Uhr

Oha, sehe gerade, dass Hans Hütt schon Wetten auf eine neue Regierung bis Mai anbietet…

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