Die deutschen „Sparweltmeister“ seien letztlich schuld an „so ziemlich allem, was in den letzten Jahren kolossal in die Binsen ging“, behauptet der österreichische Schuldentheoretiker weissgarnix:
„Derjenige, der finanziert – sei es planvoll oder gedankenlos -, steht im Ursprung aller Debakel.
Und diese spendable Rolle fiel in den letzten Jahren vor allem den Deutschen zu. Die bundesdeutschen Sparweltmeister, angeführt von einem Regiment aus aufreizenden schwäbischen Sparstrümpfen, fungierten als Hand an der Wiege von so ziemlich allem, was in den letzten Jahren kolossal in die Binsen ging; überall auf der Welt, nur zuhause nicht. Da waren die Renditen vermeintlich zu mickrig. Ergo fand vieles keine Finanzierung, und fand deshalb nicht statt: ein echter, selbsttragender Aufschwung zum Beispiel und eine damit einhergehende Zunahme der Masseneinkommen.“
Dumm nur, dass die Fakten so nicht stimmen.
Die auf OECD-Daten basierende Grafik des Denkwerk Zukunft, die unten wiedergegeben wird, zeigt dass die deutschen Privathaushalte seit Jahren eine geringere Sparquote als die französischen aufweisen. Sparweltmeister sind wir insofern schon mal nicht. Sogar die Ösis sparen relativ mehr als wir. Dabei hätten die Deutschen wegen der demografischen Entwicklung allen Grund, deutlich mehr als andere auf die hohe Kante zu legen. Wer nicht mehr genug Nachwuchs groß ziehen und vernünftig ausbilden mag, müsste nämlich, wollte er nachhaltig wirtschaften, bei den anderen, den finanziellen Formen der Vorsorge um so mehr tun.
Genau das haben die deutschen Babyboomer, gemessen an der Sparquote, nicht getan. Gingen die Zeitreihen noch weiter zurück bis in die 1970er Jahre, so würde man erkennen, dass die Sparquote deutscher Privathaushalte langfristig gesunken ist und trotz des leichten, politisch gewollten Anstiegs in den letzten Jahren – Stichwort Riester-Rente – heute noch immer unter dem Niveau des Jahres 1975 liegt.
Keine Ahnung, ob weissgarnix möchte, dass wir uns die Angelsachsen zum Vorbild nehmen. Fast ein Jahrzehnt lang kümmelten deren Sparquoten in der Nähe der Nulllinie herum. Da es sich sich um aggregierte Werte handelt, gab es Haushalte, die sehr wohl Geld auf die hohe Kante legten und andere, die ziemlich lange mehr ausgaben als sie einnahmen. Bis eben die Blase platzte, die vor allem eine von den Notenbanken großzügig gestützte Vermögenspreisblase am Häusermarkt war.
In seinem Buch „Ohne Schulden läuft nichts“ (Kompliment für den süffigen Stil – aber beim nächsten Mal doch bitte gern ein paar Anekdoten weniger) schreibt weissgarnix ganz am Schluss, der Kettenbrief namens Kapitalismus „muss nicht reißen. Der große Kollaps, der Kladderadatsch, wird erneut verschoben.“ Eben! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Was der gute weissgarnix in all seinen Betrachtungen übersieht, ist meines Erachtens, dass es im Kettenbrief-Kapitalismus deutscher Prägung noch ein ganz spezielles Kettenbrief-Subsystem namens Gesetzliche Rentenversicherung gibt, von dem über Jahrzehnte starke Effekte auf die Geburtenentwicklung, auf die Konsumstruktur und die Konsum- bzw. Sparquote ausgegangen sind – und weiter ausgehen werden. Um Missverständnisse zu vermeiden: Nicht das Umlageverfahren an sich ist das Problem, sondern seine spezielle Ausgestaltung, die massive finanzielle Anreize zur Kinderlosigkeit setzt.
Und die Investitionen, deren Dürftigkeit weissgarnix beklagt, weil sie einen selbsttragenden Aufschwung verhinderten? Nun, darüber, dass dem Kapital die erwarteten Renditen in stark schrumpfenden und alternden Populationen nicht mehr sonderlich attraktiv erscheinen und es lieber anderswo hinzieht, kann man sich nur wundern, wenn man in der Analyse blinde Flecken hat.
Hi Daniel, dass sehe ich genauso. Weder sparen die Deutschen exzessiv, noch wären sie an irgendetwas schuld, wenn sie es täten. Der Teil der Deutschen, der in Irland investierte, müsste halt die Verluste einstecken, wenn Irland die Gläubiger mit einem Haircut abstraft.
… danke für das Feedback, ich lese Deine Artikel auch gern und fast immer zustimmend.